Christophe Penasse, Co-Founder der spanischen Design-Agentur Masquespacio
Viele von uns hier in Spanien wollen nicht mehr über die Covid-Pandemie sprechen, ein Ereignis, das wir alle nicht haben kommen sehen und dessen Auswirkungen wir uns nicht vorstellen konnten. Wir alle wollen diese Phase einfach hinter uns lassen. Dennoch sind wir in der Agentur der Meinung, dass wir in diesem Artikel darüber sprechen müssen, denn in Spanien, wie in vielen anderen Ländern auch, gibt es ein Vorher und Nachher für den Handel und die Gastronomie.
Es gibt große Veränderungen, vor allem bei den Restaurants. Sie mussten wie auch die Retailer in den Lockdown und waren darauf angewiesen, Umsatz zu generieren, die Kosten liefen schließlich weiter. So begannen sie, das Retailgeschäft auszubauen, Produkte zu verkaufen, wobei vor allem Take-away der große Gewinner war. Burger-Restaurants, die bereits einen Take-away-Service hatten, verstärkten ihre Präsenz auf Lieferplattformen, während „normale“ Restaurants ebenfalls versuchten, an das Take-away-Geschäftsmodell anzuknüpfen. Es hat sich ein neuer Markt entwickelt, der dazu geführt hat, dass sich der Kunde beliefern lässt, zuhause isst und einen guten Grund braucht, das Haus zu verlassen und sein Lieblingsessen im Lokal zu genießen. Wir haben uns ohnehin daran gewöhnt, jedes Produkt auf Knopfdruck nach Hause geschickt zu bekommen. Diese beiden Faktoren haben aber auch bewirkt, dass sich die Brands wieder auf den stationären Retail besinnen, dem Erlebnis in den Geschäften wieder mehr Bedeutung beimessen und sich vom kalten, rein auf den Verkauf ausgerichteten Ansatz entfernen. Einer unserer Agenturkunden sagte uns: „Mein größter Konkurrent ist Netflix. Wenn ich also in meinem physischen Raum kein einzigartiges Erlebnis biete, werden meine Kunden nicht mehr bei mir kaufen“.
Gleichzeitig sind in den letzten Jahren neue Marken mit einem stärker personalisierten Produkt und Service auf den Markt gekommen. Den neuen Brands ist klarer als allen anderen, dass der physische Raum kein Ort für den Verkauf ist, sondern ein Treffpunkt für und mit dem Kunden, der im Idealfall zum Kauf führen kann, aber nicht muss. Der stationäre Laden ist ein Weg, mit diesem neuen Verbraucher in Kontakt zu treten, der nicht mehr nur Produkte kaufen will, die ihm gefallen, sondern der sich für Marken interessiert, die er mit seinem Lebensstil verbindet und die ihn als Angehörigen einer bestimmten Gruppe erscheinen lassen. Diese Haltung macht Räume vielseitiger und anpassungsfähiger. Der große Gewinner ist hier das Design, das wichtiger denn je geworden ist und seinen Boom im letzten Jahrzehnt fortsetzt.
Die Vielzahl an Zeitschriften und Blogs machen deutlich, dass Spanien eines der Länder ist, in dem Design einen sehr hohen Stellenwert hat und in dem Innovation immer präsent und gefragt ist. Spanien hat schon immer Trends in der Innenarchitektur gesetzt. In den letzten Jahren haben wir allmählich den „neuen Luxus“ hinter uns gelassen, ein Trend, bei dem Gold und Samt die Protagonisten waren. Der neue Stil schafft Räume, die mit der Natur verbunden sind. Der neue Luxus ist ein humaner Minimalismus, der sich durch edle, aber neutrale Materialien wie Terrakotta und Stein sowie raue Zementoberflächen auszeichnet, die an die Unvollkommenheiten der Natur erinnern. Handwerkskunst ist hier der Hauptdarsteller in einer überwiegend handgefertigten Ästhetik. Hervorzuheben ist bei diesem Trend die Verwendung von Weiß-, Beige- und Grautönen mit Kontrasten, die unter anderem durch Holzmöbel und Wollstoffe erzeugt werden.
Ein weiterer Trend sind futuristische Räume, die eine Verbindung mit dem Metaverse herstellen. Kennzeichnend dafür sind farbige Kreise und Dreiecke, die dem Besucher zusammen mit leuchtenden Materialien das Gefühl vermitteln, sich im Weltraum zu befinden. In diesen Experience-Rooms steht das Erlebnis im Vordergrund. Der Trend zur Farbigkeit ist in vielen Lokalen mit Mitnahmeservice präsent, wie z. B. in Poke-Shops, Burger-Bars und allen Fast-Food-Konzepten, in denen ein jüngeres und dynamisches Publikum nach explosiven Erlebnissen mit hohem Instagram-Faktor sucht.
Schließlich gibt es noch den so genannten Null-Kilometer-Trend, der weit über das Design hinausgeht und mit der Suche nach qualitativ hochwertigen Produkten in der Umgebung beginnt. In der Gastronomie betrifft das die Beschaffung der Lebensmittel und geht bis hin zur Gastraumgestaltung. Auch ohne den strengen Null-Kilometer-Ansatz spielen beim Design und der Ausstattung lokale und nachhaltige Materialien und traditionelle regionale Handwerkskunst eine prägende Rolle. Dieser Trend steht in engem Zusammenhang mit gesunder und ökologischer Ernährung. Er verwendet natürliche Materialien wie Pflanzen und Holz, in diesem Fall jedoch in einer erneuerten Form und mit einem luxuriöseren Touch. Wir sehen diese Konzepte vor allem in der Sterne-Gastronomie. Wir beobachten diesen Trend sehr häufig und wir sind gespannt, wie er sich in Zukunft weiterentwickeln wird.
Erschienen im STORE BOOK 2023. Hier bestellen.
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