Dem Kunden zum Glück: individuelle Storeformate

Detlef Becker, Geschäftsführer der Heikaus Concept GmbH und plant Retail-Konzepte

Authentizität in Konzeption und Auslegung und Individualität in der Produktauswahl können Eckpfeiler für einen erfolgreichen Laden sein. Wer den Kunden zum Freund machen will, hat für ihn das passende Storeformat.

Wer vor gut 20 Jahren ein Textilgeschäft besucht hat, hatte mehr oder weniger die Wahl zwischen dem Kaufhaus und dem Einzelhändler. Das hat sich komplett geändert. Das Bild der Einkaufsstraßen prägen heute Filialisten-Markenstores, während bis auf wenige Ausnahmen der klassische Einzelhändler in den Fußgängerzonen ausgestorben ist und das Kaufhaus schlingert.

Wer nicht in einer der Metropolen dieser Welt wohnt, ist heute beim Einkaufen gelangweilt ob der immer gleichen Geschäfte bzw. Storekonzepte, die die Straßen der Innenstädte prägen. Selbst wenn der Filialist sein Geschäft immer aktualisiert, so bleibt er doch der Händler, dessen Angebot, Präsentation und Kollektion sich ja nicht spürbar verändert. Diese zuverlässige Gleichförmigkeit und Unbeweglichkeit treibt noch die letzten potenziellen Käufer aus den Geschäften hin zum Onlinestore. So stehen auf einmal Geschäftsflächen in 1A-Lagen leer, die früher heiß umkämpft waren, und die jahrelang steigenden Mieten sinken. Selbst Filialisten schließen nun und kämpfen teilweise ums Überleben.

Der Handel begreift immer mehr, dass er etwas ändern muss, und versucht mit neuen Konzepten, wieder Kunden oder besser  „Freunde“  zu  gewinnen.  Dass  „Einkaufen“  oder  „in die Stadt gehen“ eine soziale Komponente hat, erkannte der Foodsektor zuerst. Der übrige Handel will auch wieder zum „third  place“  werden.  Der  Begriff  Dritter  Ort  umschreibt  in der Soziologie Orte der Gemeinschaft, die einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten.

Kunden zu verköstigen, zu unterhalten und ihnen eine erlebenswerte Aufenthaltsqualität zu bieten wird mit allen Mitteln versucht: komfortable Lounge-Bereiche, Events vom Gin-Tasting bis zum Late-Night-Shopping und großzügige Gastronomieflächen von der Espressobar bis zum Sterne-Restaurant sind im Angebot. Doch solche Konzepte verlangen ein hohes Engagement, um eine vielschichtige Mischung zu erreichen, die ständig Inspiration, Zeitgeist und Haltung transportiert. Zusammen mit einem hohen Service-Angebot sind heute Authentizität in Konzeption und Auslegung, Individualität sowohl in der Produktauswahl als auch in der Präsentation sowie der Aufbau und die Pflege der Gemeinschaft (Community) die Eckpfeiler für den erfolgreichen stationären Handel. Und das natürlich am besten immer und überall Omnichannel- vernetzt und präsent.

Bei allen Begrifflichkeiten, die man verwendet, darf man nicht vergessen, dass diese sehr individuell ausgelegt werden. Sinnhaftigkeit, Authentizität, Werte und noch mehr das Glück: Das sind Begriffe, die doch stark von der persönlichen Entwicklung und vom Individuum selbst abhängig sind. Somit ist auch klar, warum Individualität ein so wichtiges Thema im Storedesign geworden ist. Wenn man an Schlagworte wie „Erlebnisshopping“ denkt, wird es relativ schnell klar, wie unterschiedlich, wie individuell dieser Begriff gedeutet werden kann. Das erklärt die Vielfältigkeit der Konzeptionen. Das heißt aber auch im  Umkehrschluss,  dass  es  dem  einzelnen  Händler  immer nur gelingen kann, eine gewisse, spezifische Klientel für sich und seine Ware begeistern zu können, um wirkliche „Fans“ zu gewinnen.

Wie immer sich der Händler entscheidet und wo auch immer seine Vorlieben und Stärken liegen – der Kunde wünscht sich ein gutes Gefühl!

Die diversen Konzeptionen, die wir aktuell beobachten, belegen, wie unterschiedlich das Erlebnis „Shoppen“ sein kann, wie individuell es empfunden wird. Die hier aufgeführten Kategorien  dienen  als Orientierung  und  zeigen  Trends  auf. Oft sind es in unseren Städten auch Mischformen mit unter- schiedlichen Schwerpunkten.

Der Lifestylestore

Ursprünglich „Concept Store“ genannt, doch dieser Begriff wird im Handel so inflationär bei diversen neuen Storekonzepten von Marken und Filialisten verwendet, dass Ursprungsidee und Konzept einen neuen Namen benötigen.

Der Lifestylestore ist für eine bestimmte Zielgruppe konzipiert, für die Produkte von mehreren Marken und Designern zum Verkauf angeboten werden. Es entstehen Läden, die Waren verschiedener Branchen (mit-)anbieten. Aus Kleidung, Möbeln, Büchern, Parfums und Kosmetika bis hin zu Schuhen, Lebensmitteln usw. entsteht ein bunter Mix.

Erste Stores dieser Art entstanden Anfang der 2000er Jahre, mittlerweile gibt es solche Geschäfte in jeder größeren Stadt. Der  wesentliche   Unterschied   zum  klassischen  Warenhaus liegt in einem spitz zugeschnittenen Sortiment, das sich sehr atmosphärisch und emotional präsentiert. Hauseigene Veranstaltungen bzw. Events tragen zur Bildung einer Community bei.

Der Conceptstore

In diesen „Testgeschäften" versuchen die Filialisten, sich mit neuen Konzepten dem Kaufverhalten ihrer Zielgruppe anzupassen.

Somit  ist der  Begriff Conceptstore  auch  ein  Überbegriff  für viele verschiedene Arten von Stores, denn diese sind so vielfältig wie die Kundschaft und die Marken. Aber letztendlich  geht es oft darum, den Kunden „abzuholen“ und ihm das  Einkaufen  bequemer,  anders  und „interessanter“  zu machen,  ihm einen Mehrwert zu bieten.

Ein paar typische Beispiele:

Horst, ein Hornbach-Baumarkt der anderen Art, ist mit einem multiplen Angebot an Events und Workshops in Innenstadtlage erfolgreich dabei, ein „third place“ zu werden.

Ikea versucht mit Innenstadt-Konzepten seinen Kunden „entgegen zu kommen“ und erleichtert den Einkauf der Kleinartikel. Neustes Konzept sind die Ikea-Planungsstudios, wie sie jetzt in London, Paris und New York entstanden sind. Mit nur einem sehr kleinen Anteil an ausgewähltem Mobiliar liegt hier der Fokus auf den Dienstleistungen.

Tiffany  hingegen  versucht  durch  neue  Konzepte  sein  angestaubtes Image zu verändern und spricht bewusst die junge Zielgruppe an. Neben New York ist nun in Tokio der zweite Flagship-Store  entstanden, bei dem „Frühstück bei Tiffany“ wörtlich genommen werden kann: Im Café können u.a. Donuts in „Tiffany-Blau“ verzehrt werden. Der Laden verfügt auch über einen Schmuckautomaten und eine Fotokabine mit einem großen Tiffany-blauen Hintergrund und der Aufschrift „Grüße aus  Tokio“  – das  wird  bestimmt  Tausende  von  Instagram- Posts inspirieren. Tiffany-Parfum gibt es gleich am Automaten im Eingang. Und der Kunde kann sich Liebesnachrichten oder Zeichnungen an einen Counter schicken lassen, um sie sich in den Schmuck eingravieren zu lassen.

Pop-up-Store

Ende der 90er aus Amerika kommend, hat sicherlich die japanische Modemarke „Comme des Garçons“ diese Art der Präsentation geprägt. Gerade heute erfreut sich dieses Konzept besonderer Beliebtheit, da es auf beschränkte Dauer Marken und auch Filialisten die Möglichkeit bietet, zu experimentieren und auf andere Art und Weise sich dem Konsumenten zu präsentieren. Social Media hilft, den neuen Standort in Windeseile zu verbreiten. Gab es in den Anfangszeiten dieses Konzepts nur die Mund-zu-Mund-Propaganda und galt es als ein echter Geheimtipp, ist es heute massentauglich und dient ideal zur Marken- und Imagebildung, vor allem bei der jüngeren Zielgruppe. Der Erfolg dieses Konzepts zeigt sich auch daran, dass die wichtigen Warenhäuser dieser Welt es in ihr Flächenkonzept übernommen haben und somit Marken immer wieder die

Möglichkeit geben, sich im Pop-up-Format zu präsentieren. 

Galerie-Stil

Diesen Stil findet man oft bei Markenstores oder Fachgeschäften, die ihre Ware wie in einer Galerie ausstellen und präsentieren wollen. Man erreicht Wertigkeit, Begehrlichkeit und eine Aufwertung des Produkts, insbesondere durch eine reduzierte Warendichte. Szenische, fast museale Beleuchtung unterstreicht diesen Ansatz, das Produkt steht im Fokus. Der Ansatz dieser Stores heißt: Minimalismus im Design und im Angebot.

Customizing Stores

Der Wunsch nach Individualität bzw. Individualisierung macht natürlich und gerade nicht vor dem Produkt halt. Was vor zwei Jahrzehnten bei Nike mit NIKEiD online begann, ist heute ein Must-have für jede Marke. Das wird in dafür speziell errichteten Stores, aber auch in Flagship- oder Pop-up Stores als Besonderheit angeboten und das Handwerk oder „doing“ dafür bühnenreif zelebriert. Teilweise entsteht im Store ein fast fabrikartiger Charakter. Entsprechende Backgrounds für (Instagram-)Posts im Store pushen die Community und befeuern den Stolz des neuen Besitzers.

Lifestyle/Showroom

Im Gegensatz zur Galerie erkennt der Kunde bei diesen Formaten erst auf den zweiten Blick, was hier eigentlich verkauft bzw. angeboten wird. Seine Neugier und sein Interesse werden geweckt über das Szenario oder eine „Bühne“. Es wird eine bestimmte Atmosphäre erzeugt, eine „Welt“ dargestellt und inszeniert. Die Architektur bzw. das Storedesign ist Mittel zum Zweck und hat oft mit dem Produkt gar nichts oder nur sehr entfernt etwas zu tun. Sie dient eher der sozial-emotionalen Bildung einer Community, da sie ein entsprechendes Image erzeugt.

Erschienen im dLv-Trendreport 2020 - 2023. Hier bestellen.

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