Klaus Bürger, Inhaber von Klaus Bürger Architektur
Auch wenn Optiker mit ihren Läden in Sachen Lifestyle und Design immer für Überraschungen sorgen, unterliegen sie als Angehörige eines Heilberufs strengeren Regeln als ein normaler Einzelhändler. Das gilt auch für Apotheker. Apotheken haben sich binnen weniger Jahrzehnte von einem auf Arzneiherstellung und -abgabe beschränkten Betrieb hin zu einem Geschäft entwickelt, das auch Kosmetik und Wohlfühlprodukte verkauft. Dieser Karriere entsprechend müssen sich Apotheken nicht mehr nur mit ihresgleichen messen, sondern stehen gewissermaßen auch mit Beauty-Fachgeschäften und Drogerien im Wettbewerb. Über eine Planungsaufgabe zwischen Müssen und Dürfen.
Wenn sich hierzulande jemand mit Apotheken auskennt, dann ist es Klaus Bürger. Der Innenarchitekt aus Krefeld beschäftigt sich seit gut 35 Jahren mit der Einrichtung von Apotheken und hat den Wandel dieser Institution von einem nüchternen Betrieb für die Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten hin zu einem zentralen städtischen Akteur miterlebt und mitgestaltet.
Bei der Einrichtung einer Apotheke handelt es sich um eine besondere Planungsaufgabe, die in einem streng regulierten Spannungsfeld zwischen Müssen und Dürfen nach möglichst individuellen Lösungen suchen muss. Denn anders als eine Modeboutique oder ein Schuhgeschäft unterliegt die Apotheke dem deutschen Apothekengesetz. Demzufolge muss die Gesamtfläche mindestens 110 Quadratmeter umfassen, von der die Offizin, also der Verkaufsbereich, maximal ein Drittel einnehmen darf. Für das Labor sind mindestens zwölf Quadratmeter vorzusehen, einschließlich der Rezeptur muss dieser Bereich wenigstens fünfzehn Quadratmeter messen. Beide Bereiche müssen strikt vom Kundenbereich getrennt sein – wie übrigens auch die Auslagen hinter dem Handverkaufstisch. Bedenkt man zudem, dass Apotheken hierzulande ein weitgehend identisches Angebot an Arzneien, Beratungs- und Dienstleistungen führen, wird erst deutlich, welche Bedeutung den Faktoren Einrichtung und Gestaltung für das Image einer Apotheke zuwächst. Klaus Bürger sagt: „Marketing für Apotheken kann nur über Architektur funktionieren.“
Wie bei jedem Geschäft müssen bei der Konzeption zunächst die funktionalen Abläufe berücksichtigt werden. Doch neben diesen betriebsimmanenten Faktoren spielen selbstverständlich auch die städtische Lage, das soziale Umfeld und baulich-architektonische Gegebenheiten eine Rolle. Ein Apotheker in einem gesetzten, bürgerlich geprägten Wohnumfeld wird sich anders präsentieren als sein Kollege, der in einem internationalen, jungen Szeneviertel eine Apotheke betreibt.
Dennoch: Auch Apotheken unterliegen Moden. Als Klaus Bürger Mitte der 1980er-Jahre mit der Planung von Apotheken beginnt, nimmt die Postmoderne gerade Anlauf: runde, geschwungene Formen, freihändige Stilzitate und viel Plexiglas verwandeln die angejahrte Apotheke mit ihren braunen Glasflaschen in Holzschränken in einen üppig bestückten Laden, der nicht mehr nur Kranke, sondern auch kauflustige Kunden ansprechen will.
„Mittlerweile hat sich eine gewisse Zurückhaltung durchgesetzt“, bilanziert Klaus Bürger. „Die unüberschaubare Fülle sowohl an Waren als auch Details ist einer Gestaltung gewichen, die eher nüchtern und kühl daherkommt.“
Das Bewusstsein für den Wert eines eigenständigen, unverwechselbaren Store-Designs zeigt sich in der Nachfrage seiner Bauherren. Der bewusste Apotheker, so Bürger, wolle eine nachhaltige, individuelle Einrichtung. Diesem Wunsch kommt die Planung mit langlebigen, werthaltigen Materialien entgegen. Der Innenarchitekt setzt deshalb auf die Strahlkraft des Authentischen. „Wir glauben, dass Material eine Sprache hat, und ziehen Holz, Stein, Glas und Metall jedem Kunststoff vor“, sagt Bürger. „Denn diese Oberflächen können in Würde altern und sehen auch nach 30 Jahren noch gut aus.“ Ihm geht es um nichts weniger als um „healing architecture“, also eine heilende, genesungsfördernde Umgebung für Kranke, die für ihn immer noch im Zentrum des Apothekerberufs stehen – trotz der unzweifelhaften Bestrebungen, das Konzept Apotheke attraktivitätssteigernd zu dehnen. Denn Apotheken dienen laut Gesetz ausschließlich der Entwicklung, Prüfung, Abgabe und Information rund um alle Mittel, die unmittelbar die Gesundheit von Menschen und Tieren betreffen. Deshalb ist es auch verboten, eine Kaffeebar zu integrieren und das mit Kommunikation und Begegnung zu begründen, schlussfolgert Bürger ganz unsentimental. Die Kommunikation in einer Apotheke findet zwischen dem Personal und dem Kunden statt und unterliegt der Vertraulichkeit. Nicht umsonst ist die Intimität der Beratung eine maßgebliche Einflussgröße bei der Gestaltung der Offizin.
Und es ist eben eine Frage der gestalterischen Phantasie, ob dafür Aufsteller mit der Bitte um Abstand auf die Fläche gestellt werden oder die Farbgebung des Bodens zusammen mit dem Beleuchtungs-konzept auf indirekte, gleichwohl elegantere Weise für Diskretion sorgt.
Nicht zuletzt dient eine gut gestaltete Apotheke auch dem sogenannten Employer Branding. In Zeiten des Fachkräftemangels fällt die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitsplatz auch auf Grundlage sogenannter weicher Faktoren wie architektonische Gestaltung und Atmosphäre.
Doch gibt es so etwas wie eine Kurzformel für die gute Apotheke? Es ist wohl eher ein dialektischer Zusammenhang aus freundlicher und kompetenter Beratung in liebevoll und schön gestalteten Räumen. „Ein bisschen wie Homoöpathie“, sagt Klaus Bürger. „Man weiß nicht genau, warum, aber es wirkt.“
Erschienen im STORE BOOK 2021. Hier bestellen.
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