Mehr Erlebnis pro Quadratmeter

Nicole Srock.Stanley, CEO & Founder dan pearlman Group

Es gibt Stores, an die man sich nach Jahren noch erinnert, weil sie auf vielfältige Weise einzigartig sind. Die Innenarchitektin und Bühnenbildnerin Nicole Srock.Stanley hat Erfahrungen mit betörenden Kulissen, was für den Erfolg ihrer Arbeit nicht unerheblich sein dürfte. Als Mitgründerin der Berliner dan pearlman Group ist sie für den Geschäftsbereich Markenarchitektur verantwortlich und kann auf eine lange Liste mit namhaften internationalen Auftraggebern aus dem Einzelhandel verweisen. Ihre Konzepte beschränken sich nicht auf die Verschönerung von Oberflächen, sondern dringen an den Kern eines gelungenen Store-Konzepts vor: das Erlebnis.

Welche Rolle spielt das Store-Design in Bezug auf den Erfolg eines Ladens? Ist es nur ein Mosaiksteinchen oder der wichtigste Trumpf, den der stationäre Handel hat?

Der wichtigste und vielleicht auch einzige Trumpf, den der stationäre Handel hat, lässt sich in der Formel „Mehr Erlebnis pro Quadratmeter“ vereinen. Dieser Perspektivwechsel ist entscheidend für eine Branche, die jahrzehntelang alles dem Umsatz pro Quadratmeter untergeordnet hat. Doch mehr Erlebnis auf der Fläche bedeutet mehr Umsatz pro Quadratmeter. Diese Formel habe ich vor zehn Jahren entwickelt und sie ist heute aktueller denn je.

Warum?

Retail ist Teil der Freizeitindustrie; Shopping ist gewissermaßen auch Entertainment. Menschen geben Zeit aus, nicht Geld. Je knapper also die Ressource „freie Zeit“ ist, umso wählerischer werden die Menschen, wenn es darum geht, diese freie Zeit möglichst perfekt auszufüllen. Anders formuliert, wir wollen aus unserer freien Zeit eine einzigartige lebensbereichernde Erfahrung machen, eine „memorable experience“.

Was macht eine „memorable experience“ aus?

Das hat viel mit Psychologie zu tun. Denken Sie an Ihre erste Auslandsreise oder eine bestandene Abschlussprüfung – das sind Erlebnisse, die prägend sind. Auch wenn wir im Laufe unseres Lebens noch viele schöne Reisen unternehmen oder Bewährungsproben hinter uns bringen, bleiben doch nur bestimmte singuläre Eindrücke im Gedächtnis.

Was heißt das für den Handel? Muss er ständig dafür sorgen, dass seine Kunden dem Zauber einer neuen, ersten Erfahrung erliegen und sich dauernd neu erfinden?

Nein, er muss nur dafür sorgen, dass seine Kunden eine zauberhafte erste Erfahrung machen, denn nur dann kommen sie auch wieder. Das sollten sich alle Retailer und insbesondere der stationäre Handel wirklich zu Herzen nehmen. Denn wo sonst kann Shopping alle Sinne so zielgerichtet ansprechen, zu einem umfassenden Erlebnis werden und den Konsumenten nachhaltig glücklich machen, wie in einem echten Laden? Der Mensch ist ein physisches Wesen. Kein Online-Shop kann dieses ganzheitliche Erlebnis für alle Sinne ersetzen.

Welche Elemente halten Sie für ein außergewöhnliches Store-Design für unverzichtbar?

Was jeder von uns im Einzelnen unter einem tollen Retail-Erlebnis versteht, ist durchaus individuell. Nachweislich wirken Erlebnisse aber dann besonders nachhaltig, wenn sie passive oder sogar aktive Partizipation anbieten, den Menschen involvieren oder absorbieren, ästhetisch ansprechend und unterhaltend sind und vielleicht dem Kunden auch ein Bildungserlebnis bieten. Doch ein gutes Shopping-Erlebnis ist in erster Linie eine Flucht aus dem Alltag, kurz, ein „Eskapismus“. Wir tauchen dabei ab in eine andere Welt, die uns neue Sinneseindrücke verschafft. Dabei gilt: Je intensiver diese Immersion ausfällt, desto intensiver sind auch das Erlebnis und der Eskapismus-Effekt. In dieser Transformation vom Alltag zum maximalen Erlebnis begründet sich auch die Erfolgsformel des mo- dernen Retail. Früher galt: viel verkaufen und wenig unterhalten. Heute ist es genau umgekehrt. Um gut zu verkaufen, ist viel Unterhaltung nötig.

Erschienen im STORE BOOK 2021. Hier bestellen.

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